Loup-Loup, 1992

PAL, Ton, Farbe


Den drei Videofilmen Orange sanguine, Loup-Loup und I Love Mikey liegt das gleiche Konzept und das gleiche Drehverfahren zugrunde, ohne dass sie ausdrücklich eine Serie bilden würden. Sie stammen von Serge Comte und von Philippe Dorain, finstere Gestalt und geheimnisvolles Double des Ersteren.
Diese drei Filme, in denen Serge Comtes Definition des "safe at home" veranschaulicht wird, wurden in einer heimeligen Atmosphäre mit amateurhaften Mitteln, wie dem Camcorder, gedreht.
Alle drei entstanden auf die gleiche Art und Weise: eine sich praktisch nie ändernde Kameraeinstellung, eine einfache und kurze Inszenierung und die verkleidete Hauptperson vor einem verschwommenen Hintergrund.
Serge Comte erklärt Bernard Joisten bei einem Interview für Purple Prose im Jahre 1995 unmissverständlich seine Absicht: "[Es] sind im allgemeinen Porträtaufnahmen mit minimalen Bewegungen des Gesichts. Ich habe gemerkt , dass ich mit Orange Sanguine [Blutorange] einen Zuschauer entstehen lassen konnte, der sich nicht bemüht, zuzuhören, sondern sich damit begnügt, die Bilder mit einem vagen, unkonzentrierten Blick anzuschauen. Andere dagegen wurden als Mittel zur Erfüllung eines Wunsches oder zur Befriedigung eines Triebes konzipiert. In diesem Fall muss die Person das Video unbedingt haben. Und genau, wie sie plötzlich Lust hat, sich auf dem Balkon zu sonnen oder sich etwas zum Trinken aus dem Kühlschrank zu holen, legt sie die Kassette ein. Das ist eine Entscheidung, die man zu Hause trifft."1

Loup-Loup ist ähnlich inszeniert, wie Orange sanguine, nämlich mit feststehender Kameraeinstellung, in diesem Fall auf ein Gesicht  mit einer schwarzen Karnevalsmaske. Die Stimme wurde elektronisch verändert.
Das narrative Verfahren ist das gleiche, nämlich das eines fiktionalen Geständnisses. Der Bericht weicht lediglich in Bezug auf den Inhalt – die Beichte eines Mordes – ab.
Die durch Serge Comte verkörperte Person liefert in einer preziösen Sprache mehr Details über die Gründe ihres Tuns als über die Empfindungen, die sie dabei hatte. Sie spricht von der Willkürlichkeit des Mordes, von dem Wohlgefühl, das sie danach hatte, ohne diese Tat jedoch wiederholen zu wollen. Sie weist am Schluss darauf hin, dass mit dem Morden bzw. Ermordetwerden immer ein Risiko verbunden ist.

Loup-Loup ist das fast identische Gegenstück zu Orange sanguine, im gleichen Stil, nämlich mit minimaler Inszenierung und der Verwertung der intimen, phantastischen Welt des Regisseurs. Bei den Werken Serge Comtes findet das Prinzip der Leichtigkeit und Oberflächlichkeit (im Sinne von Erkundung der Oberfläche) als eine Form reizvollen Abrückens vom Prinzip der Realität und von der Einbildung, eine hypothetische Tiefe in der Welt zu sehen, Anwendung.

Laetitia Rouiller

1. Interview mit Bernard Joisten, Purple Prose, Ausgabe 9, April 1995.