I Love Mikey, 1995

PAL, Ton, Farbe


Den drei Videofilmen Orange sanguine, Loup-Loup und I Love Mikey liegt das gleiche Konzept und das gleiche Drehverfahren zugrunde, ohne dass sie ausdrücklich eine Serie bilden würden. Sie stammen von Serge Comte und von Philippe Dorain, finstere Gestalt und geheimnisvolles Double des Ersteren.
Diese drei Filme, in denen Serge Comtes Definition des "safe at home" veranschaulicht wird, wurden in einer heimeligen Atmosphäre mit amateurhaften Mitteln, wie dem Camcorder, gedreht.
Alle drei entstanden auf die gleiche Art und Weise: eine sich praktisch nie ändernde Kameraeinstellung, eine einfache und kurze Inszenierung und die verkleidete Hauptperson vor einem verschwommenen Hintergrund.
Serge Comte erklärt Bernard Joisten bei einem Interview für Purple Prose im Jahre 1995 unmissverständlich seine Absicht: "[Es] sind im allgemeinen Porträtaufnahmen mit minimalen Bewegungen des Gesichts. Ich habe gemerkt , dass ich mit Orange Sanguine [Blutorange] einen Zuschauer entstehen lassen konnte, der sich nicht bemüht, zuzuhören, sondern sich damit begnügt, die Bilder mit einem vagen, unkonzentrierten Blick anzuschauen. Andere dagegen wurden als Mittel zur Erfüllung eines Wunsches oder zur Befriedigung eines Triebes konzipiert. In diesem Fall muss die Person das Video unbedingt haben. Und genau, wie sie plötzlich Lust hat, sich auf dem Balkon zu sonnen oder sich etwas zum Trinken aus dem Kühlschrank zu holen, legt sie die Kassette ein. Das ist eine Entscheidung, die man zu Hause trifft."1

 

Trotz der gleichen Inszenierung – eine feste Kameraeinstellung mit verschwommenem Hintergrund - weicht I love Mikey von der Welt der fiktionalen Geständnisse in Loup-Loup und Orange sanguine ab.
Eine Person mit dünnem Schnurrbart und spitzem Kinnbärtchen nimmt den Hörer eines Telefons ab und intoniert im Playback den Text eines englischen Liebesliedes, auf das eine imaginäre Geliebte antwortet. Die Melodie und die süßlichen Worte nehmen Bezug auf die Welt der amerikanischen Schnulzen. In seiner Beschreibung von "safe at home" gesteht Serge Comte seine Bewunderung  für Michael Frank, einem Sänger von Liebesliedern. Ähnlich dem Bild des Fernsehers, das eine Quelle der Wärme und des Lichts ist, ist das Liebeslied ein wesentliches Element für die intime und beschützende Atmosphäre des "safe at home".

Dieser Film hat nichts mit den Codes des Videoclips zu tun, die seit den Achtzigerjahren von Regisseuren wie Jean-Baptiste Mondino oder Philippe Gautier benutzt werden. Er beinhaltet keinen komplizierten Inszenierungs- und Produktionseffekt.
1999 greift Serge Comte die Welt der Schnulze noch einmal auf, als er nämlich mit Rebecca Bournigault Love Duet dreht, eine Performance in Form eines romantischen Duos. Mit dem Kopfhörer eines Walkmans auf dem Kopf singen sie den Text eines Lieds, das nur sie hören.

Laetitia Rouiller

1. Interview mit Bernard Joisten, Purple Prose, Ausgabe 9, April 1995.