Geboren 1964 in Rom (Italien)
Lebt und arbeitet in Paris (Frankreich )
Biographie
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Biographie

Nach seiner Ausbildung zum Ballettänzer in Rom geht Alberto Sorbelli 1986 nach Frankreich und schreibt sich 1989 an der Kunsthochschule "'Ecole Nationale Supérieure des Beaux-Arts" in Paris bei einer Arbeitsgruppe für Malerei ein.

Er erkennt die Notwendigkeit, sich ostentativ in einen Kontext zeitgenössischer Kunst zu stellen und schlüpft in eine Reihe von Rollen bzw. verkörpert bestimmte Personen.

1990, an den in der Kunsthochschule stattfindenden Tagen der offenen Tür – Tage, in denen die Schüler ein Resümee über ihr skulpturales Schaffen abgeben sollen – richtet Alberto Sorbelli an einem Durchgangsort ein Büro ein und stellt sein Le secrétariat du secrétaire de Monsieur Sorbelli ["Das Sekretariat von Herrn Sorbellis Sekretär"] vor. In der festen Überzeugung, in diesen Tagen seine Fähigkeiten unter Beweis stellen zu müssen, empfängt er Besucher und spricht mit ihnen über Herrn Sorbelli, "den großen italienischen Künstler, der an diesem Tag leider abwesend ist". Mit dieser ersten Rolle wird man zwar auf ihn aufmerksam, doch fragen sich seine Lehrer: "Was kann er verkaufen, um auf dem Kunstmarkt Fuß zu fassen? Alberto Sorbelli ahnt, dass er in der Lage ist, interessante Situationen herbeizuführen und außergewöhnliche Beziehungen herzustellen.

Er stellt eine simple Analogie zwischen seiner Arbeit und einer Prostituierten her. Diese Gegenüberstellung führt ihn hin zu einer zweiten Rolle: der der "Nutte". Zwischen 1992 und 1995 verteilt er seine Telefonnummer auf Vernissagen, verkleidet sich und stellt sich Tag und Nacht allen Personen zur Verfügung, die ihn anrufen möchten. Er sieht darin keine Provokation – auch wenn er sich darüber im Klaren ist, dass es sich um eine Form moralischen Vergehens handelt – sondern eher eine Konsequenz innerhalb der Logik der Entmaterialisierung des Kunstwerks. 1994 verbietet man einige Tage vor der Eröffnung der Ausstellung L'hiver de l'amour seine Teilnahme daran, da ihn die Organisatoren im Verdacht haben, sich tatsächlich zu prostituieren.

Die Rolle der "Nutte" ruft heftige Reaktionen hervor: Er wird von Vernissagen ausgeschlossen und manchmal sogar vom Ordnungsdienst geschlagen.

Er nutzt die von ihm hervorgerufene Gewalt auf kathartische Art und Weise und spielt eine dritte Figur, nämlich "l'agressé" ["der Bedrohte"]. Alberto Sorbelli erzeugt über die Veranstaltung von Workshops auf großen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst ganz bewusst Aggressionen. Auf der Biennale von Venedig wird ein Paar gegen ihn handgreiflich.

Bei jedem seiner Auftritte testet er, ob er in der Lage ist, Phantasmen zu erzeugen. Er betrachtet seine "Rollen" nicht als Performances, sondern als ein Mittel, "Beziehungen" anzubieten. Alberto Sorbellis Wunsch, gesehen zu werden, äußert sich ganz konkret in der strategischen Besetzung mehrerer Kommunikationsmittel (Film, Fernsehen, Presse), denn er befürchtet, nur dem Milieu der zeitgenössischen Kunst zugeordnet zu werden.

Er spielt in den beiden Filmen Judith Cahnes, La croisade d'Anne Buridan und La révolution sexuelle n'a pas eu lieu, seine eigene Rolle.

Dem Beispiel Matthieu Laurette folgend fängt er an, im Fernsehen aufzutreten. Er stellt sich nicht als Künstler dar, - ein nicht sehr telegenes Postulat -, sondern als Extravaganter. Es gelingt ihm, sich von Kleidermarken sponsern zu lassen und deren Werbeetikett zu werden. Für ihn ist das Fernsehen ein Ort, wo man in der heutigen Zeit "die Menge berühren" kann.

Für die Ausstellung Nous nous sommes tant aimés im Jahre 1999 hat Alberto Sorbelli ein medienwirksames Gänsespiel ausgrarbeitet. Er füllt die Kulturzeitschriften mit Porträts, auf denen er als Bedrohter dargestellt wird. Es bleibt den Lesern überlassen, die in der ganzen Presse verteilten Puzzleteile zusammenzusetzen.

Er agiert jedoch auch als Mittler in seinem eigenen Netz.

1995 bereitet er die Produktion von Just from Cynthia vor, eine CD-Rom, die er auf der Ausstellung X/Y, der zeitgenössischen Version von Femininmasculin, le sexe de l'art im Centre Georges Pompidou zusammengestellt hat. Er arbeitet mit etwa dreißig Personen mit unterschiedlichen Spezialgebieten zusammen (Graphiker, Schriftsteller, Designer…) und konzipiert mit ihnen eine neue Art von Revue. Das Schema für den Aufbau dieser Revue ist an einen neuen Informationsträger gebunden: es handelt sich nicht mehr um das traditionelle Papier, sondern um den digitalen Informationsträger CD-Rom.

Er nimmt an der Belebung der Pariser Szene außerhalb der Galerien und Museen teil. Man organisiert Ausstellungen in Wohnungen und kommt Anfragen von Einrichtungen nach, die auf der Suche nach neuen Darstellungsformen sind. 1997 organisiert Alberto Sorbelli in der Depositenkasse Bob Bing, brèves rencontres, eine Ausstellung junger Künstler, und stellt ein Programm für deren Auftritte zusammen.

Er nimmt an mehreren Gemeinschaftsausstellungen auf Internet teil, wie z.B. an Version originale, die vom zeitgenössischen Kunstmuseum von Lyon (MAC) 1997 organisiert wurde, und Entrée libre, einem Auftrag des französischen Kultusministerium im Jahre 1999.

Alberto Sorbellis Ansatz ist Ausdruck einer künstlerischen Haltung, bei der der Künstlerstatus sich nicht mehr durch den Corpus seiner skulpturalen Produktion definiert, sondern durch seine Fähigkeit, in einem künstlerischen Milieu zu agieren. Er ist Performer, Produzent und Mittler zugleich und führt somit die Vorstellung einer Entmaterialisierung des Kunstwerks fort. Dabei sucht er eine neue Strategie, wie er sein Milieu besetzen und die bestehenden Beziehungen des Marktes neu entwerfen kann..

Laetitia Rouiller