Cinéma 81, 1982

4' 15'', 1 maquette, 1 projecteur, 1 film super 8, couleur, silencieux,


Cinema 81 ist das Modell eines Kinosaals, das dem Zuschauer völlig neue Erfahrungen beim Sehen eines Films zu bieten versucht. Dieses Angebot, das bisher nur in Form eines massstabgetreuen Modells existiert, beruht vor allem auf der Halbtransparenz und  teilweisen Widerspiegelung einer reflektierenden Leinwand, die die undurchsichtige Leinwand eines Kinos ersetzt. Die Spiegel-Leinwand ist schräg im Winkel eines modernen Wohngebäudes angebracht, das an der Ecke zweier belebter  Strassen steht und in dessen Erdgeschoss sich der Kinosaal befindet. Die Fassaden des Saals sind zur Strasse hin mit Vitrinen ausgestattet.

 

Cinema 81 bietet zwei Möglichkeiten : entweder sitzt der Zuschauer im Saal, oder es handelt sich um einen Passanten, der die halbtransparenten Fassaden entlang geht. Für Beide ist die Leinwand sichtbar. Die Idee spielt ebenfalls mit zwei unterschiedlichen Zeiten, jede davon impliziert  besondere Stufen der Wahrnehmung sowohl des Zuschauers als auch der Passanten : wenn ein Film vorgeführt wird, ist der Saal in Dunkelheit getaucht, ist die Vorführung beendet, wird er erleuchtet.

 

Das Material der Seitenfassaden ermöglicht den während der Vorführung im Saal sitzenden Zuschauern verschwommen die Umgebung draussen und die Passanten, deren Umrisse sich mit denen des (Stumm-) Films vermischen, wahrzunehmen. Dies erzeugt eine Mischung aus Fiktion und Wirklichkeit. Die Passanten wiederum können nicht nur das seitenverkehrte Bild der Vorführung, sondern durch die Leinwand, die wie ein von einer Seite durchsichtiger Spiegel funktioniert, auch die reglos dasitzenden Zuschauer, die auf die Leinwand schauen, sehen. Wenn die Vorführung zu Ende ist und die Lichter im Saal wieder angehen, kehrt sich die Situation um : der Zuschauer ist nun mit seinem eigenen Bild und dem seiner Nachbarn im Kinosaal konfrontiert, die sich in der Spiegel-Leinwand und den Seitenfassaden widerspiegeln. Das äussere Umfeld und die Passanten sind nicht mehr sichtbar. Sie werden jedoch dazu verleitet, durch die Seitenvitrinen ins Innere des Kinosaals zu sehen, und sich von der Umgebung auf der Strasse zu entfernen.

 

Cinema 81 lädt jeden ein, nacheinander die Rolle des Zuschauers und des Akteurs auszuprobieren und sich den Auswirkungen eines klassischen Kinosaals, dessen Einrichtung für ihn einen Verlust des Bewusstseins des eigenen Körpers und der äusseren Umgebung zur Folge hat, durch den psychischen Prozess der Identifikation mit dem Film bewusst zu werden. Das Prinzip der Spiegelung, die Dan Graham in zahlreichen Installationen verwendet, ermöglich hier dem Zuschauer, sich Fragen über die architektonische Struktur eines Kinosaals zu stellen und das Verhalten der anderen Zuschauer zu beobachten. Das Individuum erfährt sich schliesslich als einer Gruppe zugehörig, die sich diesen Raum – den Kinosaal –  ein symptomatischer Raum der Massenkultur, teilt.

 

Frédérique Baumgartner