Two-way Mirror Cylinder inside Cube and a Video Salon, 1992

PAL, Ton, Farbe


Dieses Videoband von Dan Graham hat die Form eines Essays. Es beginnt mit der Panoramaansicht eines Industriegebiets. Die Kamera fährt mit ihrer Bewegung zum Dach des Dia Center for the Arts, in dem sich das Werk Two-Way Mirror Cylinder Inside Cube (1988-1991) befindet. Einige Personen treten in diese Struktur ein. Man sieht Spiegelungen an den Wänden. Am Bildschirm erscheint der folgende Text: "The surfaces of my two-way mirror glass pavilions are both mirror reflective and transparent. The side of the glass which receives greater sunlight is the more reflective when moving clouds obscure the sun, the darker side is the more transparent(Die Oberflächen meiner Zweiweg-Spiegelglas-Pavillons sind sowohl reflektierend wie Spiegel und auch transparent"1. Die Glasseite, die mehr Sonnenlicht erhält, reflektiert mehr, wenn Wolken die Sonne verdecken, die dunklere Seite ist transparenter). Die Pavillons von Dan Graham sind gleichermaßen architektonische Räume und Skulpturen. Der Künstler, der durch den Bauhaus - Funktionalismus beeinflußt ist, bevorzugt in seinen Räumen Ausdrucksformen, die mit Glas in Verbindung stehen. Er interessiert sich für den sozio-politischen Aspekt des Materials: "Die Erscheinung des Gebäudes, seine strukturelle Eigenart und Transparenz, vereinigen in sich den Mythos des wissenschaftlichen Fortschritts und der sozial anerkannten Praxis einer effizienten Geschäftsführung. Diese Gebäude aus Glas und Stahl beherbergen normalerweise kommerzielle Unternehmen oder Regierungsinstitutionen. Der transparente Funktionalismus der Gebäude verbirgt eine ideologisch weniger offensichtliche Funktion: Die Rechtfertigung des Technologieeinsatzes und der Bürokratie seitens der großen Unternehmen und der Regierungsinstitutionen, um ihre eigene Sichtweise der Ordnung und der Gesellschaft zu vermitteln. [...] Die Verwendung von Glas bringt eine weitere Illusion, die in dem Glauben besteht, daß das Gesehene tatsächlich gesehen wird, wie es ist. [...] Die absolute Transparenz ist nur visuell: Das Glas trennt das visuelle vom verbalen und isoliert Außenstehende vom Inhalt der Entscheidungsprozesse sowie der unsichtbaren und doch wirklichen Beziehungsgeflechte, die die kommerziellen Vorgänge mit der Gesellschaft verbinden."2
Das Band zeigt eine Reihe von Architekturen, in denen das Glas eine große Bedeutung hat, wie zum Beispiel das World Financial Center und Citicorp in New York, die Galerie Vivienne, den Flughafen Charles de Gaulle und die Géode (Parc de la Vilette) in Paris. Dan Graham stellt Parallelen mit einigen seiner Pavillonstrukturen her.
Two Adjacent Pavilions (1978-1981) besteht aus zwei Modulen (einem Zylinder und einem Würfel) von identischer Größe. Die Seiten sind aus reflektierendem Glas. Einer der Pavillons hat ein Dach aus Glas, der andere eines aus halbdurchsichtigem Glas. Die während des Tages von oben kommenden Lichtschwankungen führen zu perzeptiven Änderungen im Innern und außerhalb dieser Strukturen. Sie sind wie provisorische Refugien unter freiem Himmel entworfen. Ihre Ursprünge sind nach Dan Graham auf Seiten der "rustikalen Hütte" des 18. Jahrhunderts des französischen Urbanisten und Theoretikers Marc-Antoine Laugier zu suchen, oder des Belvédère des 19. Jahrhunderts, der provisorischen Pavillons, wie sie De Stijl für Ausstellungen baute, und selbst auf Seiten heutiger Wartehäuschen von Haltestellen.
Children's Pavilion (1986), ein anderes Werk von Dan Graham, wurde im Rahmen der Ausstellung Chambre d'amis in Gent vorgestellt, im Garten eines Architekten. Wie alle seine Installationen funktioniert auch diese nach einem Schema der Vieldeutigkeit. Der Pavillon gehört zugleich zum Privatbereich und zum öffentlichen Bereich, dient als Passage zwischen dem Haus der Familie und dem Architekturbüro. Das Werk besteht aus zwei ineinandergreifenden Würfeln, die aus Spiegeln ohne Spiegelbelag und aus Glas bestehen. Der Pavillon ist nach den Maßstäben eines Kindes gebaut, und dient als Spielbereich. Two Cubes One 45ø Rotated (1987), wird in dem Videoband ebenfalls vorgestellt, hier handelt es sich um eine Version des Children's Pavilion erbaut in einem Maßstab für Erwachsene.
Dan Graham verwendet Materialien, Glas und Spiegel, die mit der Umgebung in Verbindung stehen, und die einen kontinuierlichen Fluß leiten, von der Bewegung der Bilder bis zur Bewegung der Sonne und dem Schatten der Bäume, die an das Werk grenzen. Die Skulptur-Pavillons setzen auf die Idee der Durchlässigkeit. Diese Mikro-Veränderungen wirken sich umgekehrt auch auf die Wahrnehmung durch den Betrachter aus, auf die Struktur des Werkes und auf die Umgebung.
Mit dem Band Two-Way Mirror Cylinder Inside Cube and a Video Salon liefert Dan Graham eine Reflexion über seine Kunst, über die Materialien, die er verwendet, über die Gesellschaft und über die Architektur des Glases.

Dominique Garrigues

1"Die Flächen meiner Spiegelpavillons, die von einer Seite durchsichtig sind, reflektieren zum einen das Licht wie ein Spiegel, lassen es zum anderen jedoch hindurchscheinen. Die Glasseite, auf die am meisten Sonnenlicht fällt, reflektiert das Licht stärker, wenn die ziehenden Wolken die Sonne verdecken, die dunkelste Seite ist die durchsichtigste Seite."
2 Dan Graham, Ma position. Ecrits sur mes oeuvres, Villeurbanne, Le Nouveau Musée - Institut / Les Presses du Réel, 1992, S. 145-146.