The Reflecting Pool (compilation) Reflecting Pool, 1977-1979 (7') Moonblood, 1977-1979 (12'48) Silent Life, 1979 (13'14) Ancient of Days, 1979-1980 (12'21) Vegetable Memory, 1978-1980 (12'21), 1977 - 1980
NTSC, Ton, Farbe
The Reflecting Pool ist eine aus fünf voneinander unabhängigen Teilen bestehende Serie, die als ein Ganzes betrachtet anhand von Bildern, die den Übergang vom Tag zur Nacht, von der Bewegung zur Starre, von der Zeit in das Außerzeitliche zeigen, die Etappen einer Privatreise beschreiben. Winzige Passagen, die die Visionen des Gehirns und die Komplexität der Wahrnehmung wiedergeben. Hier finden sich alle Hauptinspirationsquellen Bill Violas wieder: die orientalischen Philosophien, die Phänomenologie, die wissenschaftlichen Thesen über das Gedächtnis und das Licht, die Relativitätstheorie, der zweifache Kampf von Yin und Yang, dem Menschen und der Natur.
The Reflecting Pool, 1977-1979 (7')
Ein Mann kommt aus dem Wald heraus und stellt sich neben ein Schwimmbad. Von vorn sieht man seinen Widerschein im Wasser. Er springt und sein Körper erstarrt in der Luft. Der Widerschein ist verschwunden. Im Schwimmbad entstehen lebendige, unterschiedlichen Bewegungen. Der Körper des Mannes löst sich, zersetzt sich im Blattwerk, während sein aufrechter Widerschein, die mnestische Spur seiner Präsenz, im Wasser erscheint. Aus den Tiefen des Schwimmbads taucht er auf und verschwindet im Wald. Das Bild wird in drei unterschiedliche Zeitstufen zerlegt und wieder so zusammengesetzt, dass es auf die Darstellung eines einzigen Raums verweist, da seine Linien an der Originalkomposition abgepaust wurden. Bill Viola verformt die Zeit in der Materie des Videos zu einer Skulptur. In einem Interview sagt er : "Das Auftauchen des zurückgezogenen Mannes ist der Prozeß der Differenzierung oder der Herausbildung des Individuums aus der Natur. Ich lege nahe, daß die Ereignisse dieser Welt illusorisch bzw. vorübergehend sind, da sie nur als Widerscheine auf der Wasseroberfläche sichtbar sind. Die Wirklichkeit wird niemals unmittelbar wahrgenommen - das ist die Höhle Platons." 1
Moonblood, 1977-1979 (12'48)
Der Tag und die Nacht laufen in den Körper einer unbeweglichen Frau vor einem Fenster, das sich zur Welt hin öffnet, zusammen. Ein Wasserfall füllt den Bildschirm mit Bildern, die die Wahrnehmung unkoordinierter Bewegungen beeinträchtigen. Das Spiel des Lichts und seines Widerscheins löst sich etappenweise im Innern eines Wasserglases, in der Wüste bei Sonnenaufgang. Die Frau scheint hier wie ein Sammelbecken, wie der Behälter der Welt und seiner Fata Morganas, aus dem von weitem die zerbrechliche Gestalt des Mannes auftaucht. Bill Viola trägt hier dem Grundsatz der Weiblichkeit als Gebärmutter, als flüssiges, fließendes, transparentes Quell Rechnung.
Silent Life, 1979 (13'14)
Silent Life ist eine Reihe von Portraitaufnahmen Neugeborener, die fünf Minuten bis einen Tag alt sind, und im Säuglingssaal eines New Yorker Krankenhauses aufgenommen wurden. Diese Bilder der ersten Momente des Lebens, einfache Aufnahmen ohne Effekte oder Trickaufnahmen, werden uns anfangs in einem fast dokumentarischem Stil gezeigt, oberflächlich betrachtet. Doch sehr schnell bedeckt bei der Betrachtung dieser leidenden Gesichter, dieser blinden Blicke, das stumme Bild des Todes die Offenkundigkeit der ersten Bilder des Lebens. Das Krankenhaus ist der Ort, wo wir auf die Welt kommen und wo wir sterben. Es öffnet und schließt die Klammer. Durch unbewegliche Nahaufnahmen geben die Augen und der geöffnete Mund der Kinder, ihre Isolierung in den Glasblasen dem ruhigen Raum eine tödliche Schwere. Die weißen Laken bedecken die Betten und die schläfrigen Körper wie Leichentücher.
Ancient of Days, 1979-1981 (12'21)
Dieses Video ist das Ergebnis einiger Experimente, das Ergebnis von Studien über die Montagesysteme per Computer, als der Künstler in Japan bei der Sony Corporation lebte. Bill Viola behandelt die Zeit wie eine Kraft, die das Leben zerstört und in ein und derselben Bewegung wiedergibt. Er setzt die paradoxalen, und sich dennoch gegenseitig ergänzenden Prinzipien von Wachstum und ng, von Ausbreitung und Konzentration ins Bild, ja die Vorstellung selbst der eigentlichen Verwandlung in einem festen und einzigen Bild. Ancient of Days drückt die Bedeutung der Metamorphose der Zeit aus und kondensiert diese Passagen: die Zeit des Sehens, die Zeit der Aufnahme, die Zeit der Vorstellung, die Zeit der Träumerei, uralte Zeiten. Ein Tisch brennt, um sich um so besser wieder zusammenzusetzen, veränderte Lichteinfälle zeigen an einem Denkmal, wie der Tag vorbeigeht und kennzeichnen somit die Unbeweglichkeit vor den Menschen, eine taghelle Stadt ergießt sich in einen nächtlichen Himmel, hinter einem Pendel fängt das fotografierte Bild eines Gebirges an, sich zu bewegen, entzieht sich seiner Starre, um zu einem breiten Videobildschirm in den Straßen Tokios zu werden.
Vegetable Memory, 1978-1980 (12'21)
Eine Reihe von Bildern, die auf dem Fischmarkt Tsukiji in Tokio aufgenommen wurden, entwickeln sich mit der Zeit durch die Veränderung der Formen, der Empfindlichkeit und selbst der Bedeutung im Verhältnis zu den ersten Aufnahmen, hin zu einer vollkommenen Subjektivität. Der Titel dieses Videos bezieht sich auf die Schriften von Jabaludin Rumi, einem persischen Dichter aus dem 13. Jahrhundert, und erforscht laut Bill Viola "die Phänomene der Wahrnehmung einer zyklischen, sich wiederholenden Vision, die zu einer Art zeitlichem Vergrösserungsglas geworden ist.". "Serie von Kanons und Fugen für Video", die dreißig gleichen Aufnahmen wiederholen sich schleifenförmig in einem Spiraleffekt, zuerst sehr schnell, damit in fünfzehn Minuten Bild für Bild gezeigt werden kann. Die Fische werden zerschnitten und dann zur Seite gelegt, immer wieder, und immer langsamer, in einer Art religiösem Ritual - der Fisch ist für Bill Viola ein Symbol für die Natur, eine heilige Figur, die aus den Urgewässern stammt, in denen sich Leben und Tod vereinen. Indem er den Ton an dieses sich unaufhörlich verlangsamende Bild anpaßt, zeigt der Künstler neue komplexe Klangformen, ein düsteres Raunen, das aus der Eingeweide der Erde herausdröhnt.
Stéphanie Moisdon
1 Interview in Paris, für Les Cahiers du Cinéma, im Februar 1984.