Chott-El-Djerid (Portrait in Light and Heat), 1980
NTSC, Ton, Farbe
Ausgehend von dem physikalischen Naturphänomen der Fata Morgana als besonderer optischer Effekt in warmen Ländern, bei dem weit entfernte Objekte umgekehrt zurückgeworfen werden, als würden sie sich auf einer Wasserfläche spiegeln, arbeitet Bill Viola in der Materie jedes einzelnen Bildes, jedes Augenblicks dieser Vision, an dieser wissenschaftlichen Hypothese, und macht diese "objektive" Lüge zu einer subjektiven Wahrheit. Er erfaßt Zwischenstadien, unbeständige Abgrenzungen, unbestimmte Definitionen zwischen Abstraktion und Realismus. Das Chott El-djerid ist ein großer ausgetrockneter Salzsee in der Sahara, im Süden Tunesiens; ein Ort, der sich bis ins Unendliche erstreckt, ein Ort, wo man - meistens in der Mittagssonne - Fata Morganen sieht. Die intensive Wärme der Wüste manipuliert, beugt und streckt die Sonnenstrahlen so stark, daß man Dinge und Wesen auftauchen sieht, die es nicht gibt - Phantombilder. In dieser Landschaft voller Illusionen und Blendwerk liegt das Geheimnis in der Dichte, der Undurchlässigkeit der Darstellung. In der vibrierenden warmen Luft entdeckt man sich sanft auf und ab bewegende Lastwagen, Gestalten, wie zitternde Gespenster, eine Stadt, eine flüchtende Welt. Bäume und Sanddünen schießen plötzlich aus dem Boden; Gebirgskämme, einzelne Häuser zeichnen sich ab und verschwinden sogleich wieder in dieser flüssigen Atmosphäre. Manchmal werden die Bilder der Wüste den kühleren Bildern der Winterweiden gegenübergestellt (in Illinois, Vereinigte Staaten und in Saskatschewan, Kanada). Diese andere Klima, diese andere Landschaft, verweist auf das gleiche Gefühl des Verlorenseins und der Fremde. Bill Viola fordert uns zu einer Transkriptionsübung, zu einer ständigen Neudefinition des Bildes auf, das sich selbst immer wieder erneuert, und sich jedesmal neu besinnt. Er schlägt uns vor, jenseits des Sichtbaren, des Wahrnehmbaren zu gehen, diese Hitzemembran zu sprengen, in uns selbst zu schöpfen, um solche Erscheinungen, die antiken Legenden entstammen zu scheinen, besser zu begreifen. Das Bild, die Szene, das Drama durchqueren, durchlaufen.
Stéphanie Moisdon