The Passing, 1991

NTSC, Ton, schwarzweiss


Vier ereignisreiche Jahre, sowohl im persönlichen Bereich als auch generell, waren für Bill Viola Anlaß, dieses 54-minütige Video in Schwarz / Weiß zu produzieren. Die Geburt seines Sohnes, der Tod seiner Mutter, zwei Ereignisse, die die Extreme des Lebens symbolisieren, veranlassen den Künstler dazu, sich grundsätzliche Fragen ontologischer Art zu stellen : über den Sinn des Lebens, den Grund der Existenz des menschlichen Wesens im Universum, über die Beziehungen zwischen den Individuen und der Naturgewalten und dem Sternsystem, die Herkunft des Geistes und des Körpers im Verhältnis zu ihrer Endlichkeit. Der menschliche Körper und die Stofflichkeit der Welt verschmelzen in ein und dem selben Bildkorn.
Der Künstler findet hier "zu dieser unerklärlichen Unbestimmtheit der empfindsamen Welt, die uns umgibt", wie Merleau-Ponty geschrieben hat. "Sie ist in uns der Sitz der Wahrheit. Daß ein Kind Dinge wahrnimmt, bevor es denken kann, daß es anfängt, seine Träume auf Dinge, seine Gedanken auf andere zu übertragen, und dadurch mit ihnen zusammen eine Lebenseinheit bildet, in der die Perspektiven jedes einzelnen noch nicht unterschieden werden." 1 Bill Viola geht über jeglichen Begriff euklidischer Perspektive hinaus und behandelt den lebenden menschlichen Körper, der geboren wird und stirbt, zur gleichen Zeit wie den geistigen Körper, der in der Stofflichkeit der Welt schwebt. Wüstenlandschaften, in denen Skelette herumliegen, Autowracks, Spuren einer Zivilisation, und Stadtlandschaften im Negativ, die nur durch erhellende Meteoriten, in diesem Fall Autoscheinwerfer, gestört werden. Er stellt sich selbst als Verbindungselement zwischen der Vergangenheit und der Zukunft, zwischen der tatsächlichen Welt und dem metaphysischen Weltall dar.

Christine Van Assche

1 Maurice Merleau-Ponty, Le Visible et l'invisible, Paris, Gallimard, 1964.