Air Raid, 1974
NTSC, Ton, schwarzweiss
Air Raid kennzeichnet ein historisches Ereignis ohne es zu benennen noch es darzustellen. Das Werk skizziert zwei Aspekte des Themas, indem es sie gleichzeitig im Bild behandelt. Es stellt das Alltagsleben eines jungen Amerikaners dar, während der Ton durch die Geräuschkulisse den Krieg vermittelt.
Der Lebensstil wird durch Schwarzweiß-Sequenzen und Großeinstellungen von Freizeitgegenständen (Plattenspieler, Auto, Fernseher) repräsentiert sowie durch banale und ruhige Szenen des alltäglichen Lebens (ein Gesellschaftsspiel, eine Mahlzeit, das Rasenmähen). Die Sequenzen sind kurz. Die ersten sind ohne Ton und von so kurzer Dauer, daß sie eine Identifikation ihres Themas nicht erlauben. Sie folgen schnell aufeinander, voneinander getrennt durch einen grauen Bildschirm.
Eine Vorstellung von Tod und Vergänglichkeit wird mittels der poetischen Metapher des Schmetterlings ausgedrückt und durch das brutale Ende des Films, der mitten im letzten Satz auf den Worten "fear is" [Angst ist] endet.
Die Geräusche, das Pfeifen von Kugeln und Sirenen, vernimmt man gleichzeitig mit der Darstellung des alltäglichen Lebens. Der Sinn dieses Zusammenhangs wird erst deutlich, wenn man das Entstehungsdatum dieses Werks als Hinweis und geschichtlichen Anhaltspunkt wahrnimmt. Tatsächlich ist 1974 das Jahr, das auf den Abzug der amerikanischen Truppen aus Vietnam folgt und das Ende eines verfehmten Konflikts bezeichnet. Der Titel Air Raid [Luftangriff] erhält also Sinn und der Blick des Zuschauers konnotiert oder verstärkt die nun verschiedenen Zeichen des Films. Auf diese Weise bezieht sich die Darstellung der durch das Spiel des Erscheinens und schnellen Verschwindens strukturierten Sequenzen und deren Verlust durch den grauen Bildschirm, durch diesen chaotischen Charakter, auf das Unvermeidbare, das Vergängliche und die durch den Titel hervorgerufenen Bilder eines Luftangriffs.
Gary Hill behandelt dieses Thema ohne Emotionen und konstruiert das Werk, indem er unterschiedliche Themen einerseits dem Bild, andererseits verstreuten Zeichen zuschreibt. Auf diese Weise trennt er den amerikanischen Lebensstil vom Krieg, so wie es der Fall war in diesem Konflikt, der außerhalb des Landes ausgetragen wurde.
Thérèse Beyler