Sums and Differences, 1978
NTSC, Ton, schwarzweiss
Sums and Differences simuliert eine physikalische Eigenschaft: die Wirkung einer Energie (der Klang von Musikinstrumenten) auf eine Materie (das Bild). Die Darstellung erfolgt durch einen Synthesizer. In den ersten Sequenzen und Takten wird nacheinander jedem Instrument der dazugehörige Klang zugewiesen. Danach erscheinen alle Bilder der Instrumente, die an diesem Stück elektronischer Musik beteiligt sind. Das Orchester besteht aus einer Trommel, einem Klavier und Blasinstrumenten. Je schneller der Rhythmus wird, um so komplexer wird das Bild. Das Ganze endet in einer visuellen und klanglichen Kakophonie. In diesem Werk wird, wie der Titel andeutet, mit räumlicher und klanglicher Differenzierung und Addition gearbeitet.
Die nun aufeinanderfolgenden Bilder verändern sich mehrmals im Hinblick auf den klanglichem Rhythmus. Durch das Spiel mit der Luminanz werden die Kontraste geschwächt oder verstärkt. In einigen Sequenzen werden Schwarz und Weiß vertauscht. Der Rhythmus ist zu Beginn des Videos langsam, wird aber mit der Zeit immer schneller. Die Klänge summieren sich und die Bilder wechseln mit jeder Note, bis sie schließlich übereinander liegen. Der Bildschirm unterteilt sich in waagrechte Streifen, die immer zahlreicher werden. Sind sie breit, erscheinen in einigen von ihnen Fragmente von Instrumenten. Die anderen bleiben grau oder schwarz. Eine Welle wandert einen Moment lang von einem Streifen zum anderen. Sind sie dünn, scheint im Hintergrund die Trommel durch. Diese Verwandlungen werden mit einem technischen Verfahren mittels eines Frequenzvariators erzielt, das für Ton und Bild gleichermaßen funktioniert. Gary Hill erklärt das im Detail: "Normally, a video image is scanned on the video raster at 60 cycles per second. As the rates of change increase, starting at about one cycle per second, switching become faster than the time it takes to scan the complete image. This produces an effect whereby all four images appear simultaneously on the screen in 4, 8, 12, etc. horizontal bars. When switching rate is at the higher frequencies, the different sounds, including the switching frequencies, become blurred into one, just as the different images become one image."1
Durch die Erzeugung und die Veränderung des Bildes, die durch ein technisches, dem Video eigenes Verfahren bestimmt wird, entspricht Sums and Differences der Definition von Medium, wie sie in Electronic Linguistic gegeben wird, nämlich der Einheit von Lichtphänomenen, bei denen elektrische Energie frei wird.
Thérèse Beyler
1 "Normalerweise wird ein Videobild auf einem Videorasteranalysator mit 60 Zyklen pro Sekunde gescannt. Erhöht sich die Wechselrate und fängt sie bei ungefähr einem Zyklus pro Sekunde an, wechseln die Bilder schneller, als die Zeit, die für das Abtasten des ganzen Bildes erforderlich ist. Dadurch entsteht ein Effekt, durch den die vier Bilder gleichzeitig in 4, 8, 12 usw. horizontalen Streifen auf dem Bildschirm erscheinen. Ist der Frequenzwechsel am höchsten Punkt angelangt, verschmelzen die diversen Klänge eben durch die schnellen Wechsel zu einem einzigen Ton, genauso wie die Bilder zu einem einzigen Bilder verschmelzen." (Lucinda Furlong, "A Manner of Speaking : an interview with Gary Hill", Afterimage, Rochester, Band 10, Nummer 8, März 1983, S. 16)