Incidence of Catastrophe, 1987 - 1988
NTSC, Ton, Farbe
In Incidence of Catastrophe erfahren wir eine Stofflichkeit der Dinge und Zeichen, der "Physikalität", wie Gary Hill sagen würde, die uns berührt, uns fasziniert und uns stört, da nämlich das Sichtbare, das zwischen der Festigkeit des Greifbaren und der Entschiedenheit der Schrift eingeklemmt ist, intime und heftige Verhältnisse zwischen Bild, Text und Körper ausdrückt. Man geht vom Körper der Worte auf den Text der Dinge über.
Incidence geht auf Maurice Blanchot's Werk Thomas l'obscur zurück, und ist eine Lesart, die körperlich betrachtet nicht wörtlicher und näher am Text hätte sein können, da das Auge des Lesers hier auf Seiten und Worte stößt, die plötzlich von einer eindeutigen und monströsen Stofflichkeit zu sein scheinen. Das was uns Gary Hill spüren läßt, ist der Körper der Worte auf der Seite, insofern als dem Lesbaren das Sichtbare und das Greifbare vorausgeht; seine Finger, die das Papier streicheln, knittern und rascheln lassen, geben das lautlose Ereignis der lärmenden Lektüre wie ein Meeresgetöse wieder : katastrophal.
Gary Hill mißhandelt diesen Text, der vibriert und schimpft, bis er selbst durch den Text verletzt wird, da er sich in den Finger schneidet, als er über ein Blatt fährt : das buchstäbliche Bild der Eingravierung des Textes in den Körper. Die Schrift ist, etymologisch gesehen, ja gerade ein schneidende Bewegung, ein Zerreißen. Sie erfolgt über Einschnitte und Brüche. Die Schreibung, das sind Kratzer. Der Begriff der Schrift ist demnach nicht speziell der literarischen Form vorbehalten, sondern charakterisiert vielmehr diese außerordentliche Macht und Ausstreuung in die Welt.
Man könnte die Gewalt, die stumm auf dem letzten Bild von Incidence schreit, nicht beschreiben. Das Bild, von dem man sich das unvorstellbare Verhältnis, das es herstellt, nicht vorstellen kann, zeigt folgendes : der Blick ist dieses unanständigen und steife Ding geworden, der Holzstab, der an der Kamera befestigt ist und sich zu den Dingen im Bild, und genauer zu dem nackten und zusammenkauernden Körper (in einer Fötusstellung) von Gary Hill vor einer flammenden Projektion eines Feuertextes auf die Wände des Raums hinstreckt. Dieser entmenschlichte Zeigefinger vereint die ganze Körperlichkeit des Greifbaren in seiner absurden Verlängerung. Selten hat man, ohne obszön zu werden, das Bild und den Körper in ein so unhaltbares Verhältnis zueinander gesetzt, indem man das Äußere von innen angibt, von innen aus durchdringt und in eine Welt eindringt, in der das Ich zerstäubt wurde und in die Nähe von etwas unendlich Unbekannten eingetaucht ist.
Paul-Emmanuel Odin