I'm Not The Girl Who Misses Much, 1986

Bétacam SP, PAL, son, couleur


Zunächst ein Vorspann auf üppig rotem Hintergrund, dann eine Nahaufnahme Pipilotti, im schwarzen, sehr tief dekolletierten Kleid, die sich tanzend vor der Kamera bewegt und aus Leibeskräften singt: “I'M Not the Girl Who Misses Much”. Der Text wurde (fast identisch) aus einem Lied von John Lennon, Happiness is a Warm Gun übernommen. Verschwommenes Bild und Tonstörungen. Stockende Zooms, von hinten nach vorne, zeitweise verwackelte Aufnahmen, satte Farben, die Wiederholungen der gesungenen Textzeile verstärken die Übertreibung in den Bewegungen der bebenden Silhouette, an der ein roter Fleck auf den stark geschminkten Lippen auffällt. Zeitweise geben die Bildschnitte, manchmal in Zeitlupe, den Eindruck, der Körper der Performerin schwebe im wahrsten Sinne des Wortes in einem Rot, das die gesamte Bildfläche ausfüllt. Das Werk ist ein Videoclip, das die wesentlichen Elemente der künftigen Arbeit Pipilotti's enthält: vorherrschendes Element ist die allgegenwärtige Popmusik, die kindliche Einfachheit in der kulturellen Assimilation (hier eine Musikinterpretation), possenhafter, unruhiger, sich wiederholender Humor und die die in den Vordergrund gestellte visuelle, weibliche Welt: schrille Farben, schöne Kleider, Schminke. Pipilotti feiert den Körper, seine Energie, seine Vitalität, seine Macht der Sinne; in der Rolle der Protagonistin des Songs von John Lennon produziert sie eine Form von Videoclip mit kritischem Blick auf den Sexismus der Porno-Pop Bildkultur bei MTV. Es ist eine Parodie. Ton und Bewegungen sprengen im wahrsten Sinne des Wortes den vom Videoband vorgesehenen Raum (die Protagonistin verlässt den Rahmen und die Stimme bewegt sich in für das menschliche Ohr unerträglichen Höhen). Beschleunigungen und Zeitlupen erinnern an das Zapping. Weiblichkeit wird in übertriebener- oder grotesker Weise dargestellt: rote Lippen und nackte, aus dem Ausschnitt des schwarzen Kleides hängende Brüste. Genau gesagt bewegt sich Pipilotti Riest auf vielerlei Terrains, zwischen Kunst, Kultur und Politik mit dem Ziel, die Kodes durcheinanderzubringen.
Die kurze Form des Klip und die Einfachheit der Idee sorgen für Spontaneität und machen das Werk I'M Not the Girl Who Misses Much zur Vorreiterin der Kultur-Mix Tendenzen, die seit den 90iger Jahren beobachtbar sind). (LLH)