La voisine de Victor Brauner, 1994
Installation mixte
8 moniteurs,
8 bandes video, PAL, noir et blanc, silencieux, 5’, 2 textes muraux (fr.) (79,3cm x 62cm)
Die Installation " La voisine de Victor Brauner " entstand 1994 durch eine Anfrage des Centre Georges Pompidou, Cabinet des Arts graphiques und Service Nouveaux Médias, an den belgischen Künstler Patrick Corillon, eine Lekture der Notizhefte von Victor Brauner präsentieren.
Victor Brauner, ein Maler rumänischer Herkunft und Zeitgenosse von Constantin Brancusi, schloss sich gleich nach seiner Ankunft in Frankreich in den dreissiger Jahren der surrealistischen Bewegung an. Im Laufe seiner Karriere entwickelt er eine persönlichere Form der Malerei, die ihre Wurzeln aus der primitiven Malerei und einer Faszination für Mythen und Magie schöpft.
Patrick Corillon stellt seine Installation in einen rechteckigen und dunklen Raum, in dem selbst die Decke schwarz angemalt ist. Zwei Reihen von jeweils vier Monitoren sind auf beiden Seiten des Eingangs in unterschiedlichen Höhen plaziert. Auf der hinteren Mauer des Raumes sind zwei Texte, von sehr hellen Spots erleuchtet, angebracht.
Die von den Monitoren ausgestrahlten Videos sind in Schwarz-Weiss, ohne Ton.
Die Reihe der Monitoren rechts vom Eingang ist etwa 2 m vom Fussboden entfernt installiert. Auf jedem Monitor ist die Nahaufnahme des Gesichts einer Frau zu sehen, zu verschiedenen Zeiten ihres Lebens: mit 75 Jahren, 50 Jahren, 35 Jahren und 20 Jahren. Das Gesicht der ältesten Frau ist dem Eingang am nächsten, das der jüngsten Frau befindet sich in der Nähe des Textes im Hintergrund.
Auf der linken Seite sind ebenfalls Monitoren symmetrisch aufgebaut, diesmal 50 cm vom Boden entfernt. Auf jedem dieser Monitore sind Hände zu sehen, die in Notizheften blättern, die Hände Victor Brauners zu unterschiedlichen Zeiten seines Lebens. Sie entsprechen den unterschiedlichen Lebensabschnitten der Frau auf der rechten Seite.
Der Besucher befindet sich zwischen dem Blick der Frau auf die Hefte und den Händen, die darin blättern. Er durchquert den Raum und entdeckt die beiden Texte von Patrick Corillon.
Der erste überliefert eine von Victor Brauner erzählte Anekdote, die schildert, wie er eines Morgens, neben seiner, am Fenster zum Trocknen aufgehängten Wäsche, in sein Notizbuch zeichnet. Er fühlt sich beobachtet und entdeckt den starren Blick seiner Nachbarin, die nur seine zeichnenden Hände sehen kann. Verwirrt durch dieses Erlebnis, wiederholt er das Zeichnen am Fenster von ab jetzt jede Woche und lässt sogar seine Wäsche hängen, damit die Nachbarin ihn in aller Diskretion beobachen kann. Er entdeckt, dass es ihm Vergnügen und Lust bereitet, seine Zeichnungen zu zeigen.
Der zweite Text beschreibt das gleiche Erlebnis aus der Sicht der Nachbarin, Madeleine Ivernol. Sie entdeckt ihren Nachbarn beim Zeichnen am Fenster und bemerkt, dass er ein Hemd trocknen lässt, das dem ihres kürzlich im Krieg umgekommenen Verlobten ähnelt. Sie fixiert das Hemd ausdauernd und stellt fest, dass ihr Nachbar dies bemerkt und sein Hemd wochenlang hängen lässt. Mit der Zeit bleicht das Hemd aus und wirft auf Madeleine das Spiegelbild ihrer eigenen Gebrechlichkeit zurück.
Der Besucher wird zur dritten Person in dieser Fiktion, er stellt den Bezug zwischen den Bildern auf den Monitoren her und wird sich der Konfrontation der jeweiligen Interpretationen der beiden Protagonisten bewusst. Aus einer gemeinsamen Anekdote, die von jedem als die Realität gelegt wird, ziehen die beiden Beteiligten vollkommen unterschiedliche Schlüsse.
Für Patrick Corillon ist die Kunst eine Fiktion und der Künstler ein Ethnologe. Er richtet sich in seinen Werken an die Phantasie, in dem er Personen erschafft, die sich im Laufe seiner Ausstellungen entwickeln, wie Oskar Serti. „Patrick Corillon verwendet ebenfalls seine Texte und Objekte wie ein Mittel, ein formales oder narratives Scheitern oder Schwäche auszugleichen. Das Erzählen einer Geschichte entsteht nicht aus dem reinen Vergnügen zu schreiben, sondern aus der schlichten Notwendigkeit, die durch eine unsichere formelle Situation entstandene Leere durch eine Art von Notbehelf auszufüllen.“1
Laetitia Rouiller
1 – Bernard Marcadé in Art Press Nr. 160, Juli-August 1991