Nearby, 2000

1 beta Num Pal, couleur, son (réalisée en pellicule 16mm)


Nearby ist eine Videoinstallation, die aus verschiedenen Festeinstellungen mit einsamen jungen Frauen in ihrem Zuhause besteht, und aus langen Einstellungen auf menschenleere Landschaften. Sie wird auf eine Grossleinwand projiziert, in einer Umgebung, die sich Laetitia Bénat angenehm wünscht, um eine persönliche Atmosphäre zu schaffen.

 

Es beginnt mit einer Nahaufnahme auf die Innenausstattung einer Wohnung. Die Bildeinstellung ist auf ein Büro fixiert, dahinter liegt ausgestreckt ein junges Mädchen. Es hört Musik, ist halb eingeschlafen, raucht eine Zigarette und absolviert lauter kleine Handlungen, um seine Langeweile zu überlisten. Das Bild ist teilweise unklar und verstärkt so das Gefühl der Melancholie, das von dieser Inszenierung ausgeht. Die Tonspur besteht entweder aus der Musik, die die Hauptperson hört oder aus den Geräuschen der Stadt im Hintergrund. Der Raum bleibt geschlossen und bietet keine Perspektive, weder dem jungen Mädchen noch dem Zuschauer.

 

Nach einigen Minuten beginnt der Teil mit den menschenleeren Landschaften. Er wurde 2000 in den Cevennen gedreht, mit Super 16-Filmmaterial. Die Qualität der Bilder unterscheidet sich vom ersten Teil, mit einer besonderen Bildbeschaffenheit und sich deutlich voneinander abhebenden  Farben, mit einer Blautönung. Laetitia Bénat filmt die Landschaft der Cevennen mit einer besonderen Aufmerksamkeit für den von Vogelflügen gestreiften Himmel, für die eher kargen Bergabhänge und die Weite des sich bewegenden Wassers.

 

Diese Bilder werden von einer aus elektronischen Frequenzen bestehenden Musik begleitet. Der Ton verbindet auch die beiden Teile des Videos, die Szenen innen und aussen. Diese Musik ähnelt einem Brummen, wie ein unbearbeitetes, fast prähistorisches Signal, das an die karge Natur erinnert, die gefilmt ist. Die musikalische Komposition besteht aus sich wiederholenden Schleifen, charakteristisch für die in der elektronischen Musik verwendete Technik.

 

Die Narration wechselt alternativ von Innen- zu Aussenszenen. Die Bilder aus der Natur führen uns zum inneren Zustand der in ihrem Zimmer eingeschlossenen Person zurück. Die Natur scheint hier weniger eine Ausflucht als gefährlich und unruhig zu sein. Sie ist bedrohlich, wobei diese Empfindung durch die Arbeit mit dem Ton verstärkt wird.

 

Laetitia Bénat bricht mit der Tradition der romantischen und einladenden  Natur als Ursprung der Reinheit in der Malerei. Die Art wie hier die Natur gefilmt ist, in scheinbarer Ruhe, verstärkt den Eindruck des Eingeschlossenseins, der von den Innenszenen ausgeht. Die langen Ausseneinstellungen, die ohne Unterlass die Aktivitäten im geschlossenen Raum aneinanderreihen, erinnern ebenfalls an das Gefühl des Wartens des jungen Mädchens.

 

Die Welt der Laetitia Bénat nähert sich, in der Neigung, ihre Umgebung zu filmen,  derjenigen von Sadie Benning, einer amerikanischen Künstlerin und, in der Verwendung des Autobiographischen, derjenigen von Rebecca Bournigault, einer französischen Künstlerin.

 

In den 90er Jahren hat sich vor allem in Frankreich eine Tendenz zum autobiographischen Video entwickelt, die der inneren Welt der Künstler und ihren, nach ihrer Meinung jeglicher Interpretation unzugänglichen  Empfindungen freien Lauf lassen. Das Werk, wie zum Beispiel Nearby, wird in diesem Sinne wie eine Begegnung definiert, eine Emotion, die der Künstler mitteilen will, ohne ihm einen besonderen Sinn zu verleihen.

 

Laetitia Rouiller